Geschäfte über wesentliche Aktiva: Die aussliessliche Zuständigkeit der Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung [(Artikel 160 F) und 511 bis des spanischen Kapitalgesellschaftsgesetzes (LSC)].

Published on 28 May 2015

Alle spanischen Kapitalgesellschaften, welche größere Geschäfte im Zusammenhang mit Aktiva durchführen, müssen sich seit dem vergangenen Dezember nach dem neuen Gesetz 31/2014 richten, welches das bisherige Kapitalgesellschaftsgesetz hinsichtlich der Optimierung der Unternehmensführung modifiziert. Dieses weist der Haupt- bzw. der Gesellschafterversammlung der Kapitalgesellschaften diesbezüglich eine neue rechtliche Zuständigkeit zu.

1.- Einleitung

Diese ausschließliche Zuständigkeit betrifft bestimmte Entscheidungen sowohl börsennotierter als auch nicht börsennotierter Gesellschaften, die «wesentliche Gesellschaftsaktiva» betreffen. Dabei kann es sich um Aktiva jeglicher Art handeln, jedoch seien hier vor allem die Immobilienanlagen erwähnt, da sie einen Hauptanwendungsfall der Art. 160 f), bei nicht börsennotierten Gesellschaften, und Art 511 bis, bei börsennotierten Gesellschaften, des LSC darstellen dürften.

Die zuvor genannten Normen bestimmen die Zuständigkeit der Haupt- bzw. der Gesellschafterversammlung bei der Entscheidung spanischer Unternehmen hinsichtlich „des Erwerbs, der Veräußerung oder der Einlage wesentlicher Aktiva in andere Gesellschaften“.

Das Gesetz „geht vom wesentlichen Charakter der Aktiva aus, wenn der Betrag des Geschäfts 25% des Buchwerts der Aktiva gemäß der zuletzt genehmigten Bilanz übersteigt”. 

2.- Die Bedeutung des Gesetzes

Was beinhaltet die vorangehende Definition? Sie umfasst sowohl den «Erwerb» der Aktiva durch die Gesellschaft sowie «Veräußerungen» an Dritte oder auch «Einlagen» wesentlicher Aktiva in andere Gesellschaften, einschließlich Gesellschaften, die zur selben Gruppe gehören.

Aus welchem Grund greift die Versammlung ein? Es handelt sich hierbei um gesellschaftsrechtliche Handlungen und Entscheidungen, die eindeutig über das, was allgemein unter «gewöhnlicher Verwaltung» der Gesellschaft verstanden wird, hinausgehen. Dies bedeutet im Klartext, dass die Versammlung immer dann eingreift, wenn eine Abweichung von “der gewöhnlichen Geschäftsführung” vorliegt. Denn die gewöhnliche Verwaltung obliegt stets dem Verwaltungsorgan der Gesellschaft, weil die Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung im Wesentlichen ein internes Organ ist, wohingegen die Veräußerung, die Übertragung, etc., grundlegend externe Handlungen darstellen, die regelmäßig durch das Verwaltungsorgan der Gesellschaft wahrgenommen werden.

Welche Geschäfte sind betroffen? Es werden selbstverständlich typische gesellschaftsrechtliche Geschäfte umfasst, aber auch solche mit ähnlichem oder aber «äquivalentem» Charakter wie «strukturelle Veränderungen» (Fusion, Spaltung, etc.). Dies sind Veränderungen innerhalb des Unternehmens, welche über einfache gesellschaftssatzungstechnische Modifikationen hinausgehen, wie z.B. die Abtretung sämtlicher Aktiva und Passiva.

Was bedeutet Aktiva oder Geschäfte mit wesentlichem Charakter? Die Bezeichnung «wesentliche Aktiva» ist streng genommen ungenau, da sich der Charakter der Wesentlichkeit nicht zwingend nur aus den Eigenschaften der Aktiva, Vermögenswerte oder Rechte selbst ergeben muss, sondern sich auch aus der Wichtigkeit des Rechtsgeschäfts erschließen kann, d.h. aus der Bedeutung desselben für die betroffene Gesellschaft.

Aus immobilienrechtlicher Perspektive heraus betrachtet, ist ein Aktivposten grundsätzlich dann als wesentlich anzusehen, wenn dieser Teil einer Transaktion ist (Verkauf, Ankauf, Einlage, etc.) und der Preis mehr als 25% des Buchwerts der Aktiva darstellt. Dies bedeutet aber auch, dass dasselbe Objekt grundsätzlich nicht „wesentlich“ ist, wenn das Rechtsgeschäft selbst nicht unter eine der vom Gesetz erfassten Fallgruppen fällt auf die wir weiter unten noch genauer eingehen werden Hier ist jedoch zu beachten, dass der Schwellenwert von 25% ausschließlich eine gesetzliche Vermutung ist, die den Beweis des Gegenteils zulässt. Dies bedeutet, dass im ersten genannten Fall, eine Transaktion mit einem Preis der geringer ist als 25% des Buchwerts der Aktiva im konkreten Fall „wesentlich“ sein kann, ein Preis von mehr als 25% in einem anderen Fall jedoch als „nicht wesentlich“ angesehen werden kann.

Zudem ist zu beachten, dass die herrschende Lehre die Ansicht vertritt, dass falls eine Transaktion im Endergebnis die „wesentlichen Aktiva“ durch andere homogene Aktiva ersetzt, dies zur Folge hat, dass die Zustimmung der Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung nicht notwendig ist. Konkret bedeutet dies, dass beispielsweise eine Zuständigkeit der Versammlung zu bejahen wäre, wenn es sich um einen Verkauf einer Immobilie seitens eines Immobilienunternehmens oder Bauträgers handelt, dessen Transaktionspreis mehr als 25% des Buchwertes der  Aktiva ausmacht. Auf der anderen Seite, wäre eine Zuständigkeit der Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung zu verneinen, wenn es sich um eine „sale & lease back“-Transaktion handelt, bei der ein solches Objekt zwar an ein Leasingunternehmen übertragen wird, um Liquidität zu erwirtschaften, aber zugleich ein Finanzierungsleasing erfolgt, welches die Möglichkeit des Rückkaufs des Objekts in der Zukunft ermöglicht.

3.- Die Übertragung der Aktiva

Eine weitere Fragestellung im Zusammenhang mit dem Immobilienrecht ist die Festlegung der Folgen bei Unterlassung der Genehmigung durch die Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung, und ob dadurch die Übertragung der Immobilienaktiva unter Umständen für ungültig bzw. unwirksam erklärt werden kann.

Hat die fehlende Genehmigung der Versammlung externe Auswirkungen? Sofern es die Geschäftsführer sind, welche die Übertragung der Immobilie formalisieren (z.B. im notariellen Kaufvertrag), und dabei ihre Befugnisse überschreiten, weil es an einer Genehmigung durch die Versammlung fehlt, ständen wir eigentlich vor einem Fall, bei dem keine wirksame Vertretungsbefugnis der Gesellschaft vorlag was zur Folge hätte, dass das Geschäftig nichtig wäre.

Nichtsdestotrotz ist die herrschende Lehre der Ansicht, dass  dieser Verstoß lediglich auf interner Ebene wirkt, und zwar im Sinne einer mangelnden, internen Befugnis der Geschäftsführer, in der nach außen hin hingegen wirksamen Vertretung der Gesellschaft gegenüber Dritten. Gemäß dieser Lehre ist die interne Befugnis-Überschreitung gegenüber gutgläubigen Dritten nicht entscheidend. Dies grundsätzlich deshalb, weil ein gutgläubiger Dritter nicht die Last tragen kann, zu ermitteln, ob das Objekt des Geschäfts für die Gesellschaft ein wesentliches Aktiva darstellt oder nicht. Es ist jedoch zu beachten, dass es auch Vertreter der gegenteiligen Meinung gibt, welche der Ansicht sind, dass hier die oben genannte Regel des allgemeinen Zivilrechtes greift, nach der ein durch einen nicht befugten Vertreter abgeschlossenes Geschäft nichtig ist. Es gilt hier abzuwarten wie die Gerichte entscheiden werden.

4.- Eine qualitative Annäherung: die Fallgruppen

Das Gesetz verwendet den unbestimmten Begriff des “Geschäfts”, welches 25% des Buchwertes der Aktiva übersteigt. Wenn man die Entstehung der Normen analysiert und die beiden Gesetzesartikel vergleicht (Art. 160 f, und Art. 511 bis), gibt es eine Reihe von typischen Fällen die unter diesen Begriff fallen, dies sind u.a.:

  • Die «Filialisierung» (Übertragung auf Tochtergesellschaften) und die damit verbundene Änderung der Art der Ausübung des Gesellschaftszweckes: die direkte Ausführung wird durch die indirekte Ausführung ersetzt; die «operative» Muttergesellschaft wird, zumindest teilweise, zu einer einfachen «Holding» umgewandelt was die Rechte der Gesellschafter der „Holding“ einschränkt, da wichtige Entscheidung bezüglich der übertragenen Aktiva der Kompetenz der Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung der „Holding“ entzogen werden
  • Geschäfte, deren Wirkung einer Auflösung und Liquidierung der Gesellschaft gleichkommt. Dies wäre beispielsweise der Fall bei einer Übertragung derjenigen Aktiva die für die Aktivität der Gesellschaft notwendig sind da dies zur Folge hat, dass die Gesellschaft verpflichtend aufgelöst werden muss, sei dies u.a. infolge der Einstellung der Aktivität welche den Gesellschaftszweck bildet, oder der eindeutigen Unmöglichkeit der Erreichung des Gesellschaftszweckes.
  • Weiterhin mitinbegriffen sind Geschäfte die zu einem Wechsel oder Ersatz der Gesellschaftsaktivität führen und andere Angelegenheiten außerordentlicher Verwaltung, welche nicht in den vorangehenden Absätzen erwähnt werden.

5.- Das quantitative Kriterium

Wie bereits erwähnt, stellt die spanische Gesetzgebung zu diesem Zweck eine gesetzliche Vermutungsregelung auf: der Umfang des Geschäftes soll 25% des Buchwerts der Aktiva der zuletzt genehmigten Bilanz übersteigen. Unserer Ansicht nach ist es jedoch aufgrund der Tatsache, dass es sich ausschließlich um eine gesetzliche Vermutung handelt allgemein verpflichtend, den „wesentlichen“ oder „nicht wesentlichen“ Charakter des Geschäftes im Hinblick auf dessen Gesamtumstände, sowohl quantitativer als auch qualitativer Natur zu prüfen.

Was passiert im Fall eines konsolidierten Abschlusses? Im Falle einer Formulierung eines konsolidierten Abschlusses, muss unserer Ansicht nach auch der Umfang der Aktiva auf konsolidierter Basis geprüft werden.

Auf welche Weise muss der gesetzliche Grenzwert von 25% berechnet werden? Der «Betrag/Umfang des Geschäftes» muss den Schwellenwert von 25% des Buchwerts der Aktiva der Gesellschaft übersteigen, welcher durch die zuletzt genehmigte Bilanz widergespiegelt wird.

Und welcher ist der Betrag des Geschäftes? Dieser entspricht dem Preis oder der Gegenleistung, welcher im Vertrag für die Aktiva festgesetzt und zwischen beiden unabhängigen Parteien vereinbart wurde, oder alternativ dem üblichen Preis oder dem Marktpreis. Falls jedoch eine Stundung vereinbart worden ist oder eine Bedingung vorliegt, muss der aktuelle Wert über den Cash-Flow berechnet werden.