Der Januar ist ein turbulenter Monat für die Taxi-Branche und sogenannte Personenkraftwagen mit Fahrer (vehículos de turismo con conductor), die in Spanien unter der Abkürzung VTC operieren und bekannt sind.
In Spanien sind es die Fahrdienstvermittler Uber und Cabify, die mit Hilfe vonVTC-Lizenzen tätig sind. Seit ihrem disruptiven Eintritt in den Markt, treten die Rivalität und die Zusammenstöße beider Branchen mehr als deutlich hervor.
Für die Taxi-Branche ist die Koexistenz mit der VTC-Branche vielleicht am schwierigsten und nach mehrfachen Forderungen und Demonstrationen verschärft sie im Januar ihre Gangart zuerst in Barcelona und nun in Madrid.
Deshalb treten die Taxifahrer in Madrid seit dem 21. Januar 2019 in den unbefristeten Generalstreik (huelga general), der es bisweilen unmöglich macht, dieses Mittel des öffentlichen Personennahverkehrs zu nutzen.
Angesichts dessen und an diesem Punkt angekommen stellt sich die aus arbeitsrechtlicher Sicht interessante Frage, ob ein Streik (huelga) oder im Gegenteil eine sog. Aussperrung (cierre patronal) vorliegt. Zur Beantwortung dieser Frage ist es notwendig, die beiden Begriffe und ihre darin liegenden Konzepte voneinander abzugrenzen.
Das Streikrecht in Spanien ist ein Grundrecht, geregelt in Art. 28.2 der spanischen Verfassung und in den Artikeln 1-11 des königlichen Gesetzesdekrets 17/1977, vom 4. März, über Arbeitsverhältnisse und bedeutet die Niederlegung des Arbeitsverhältnisses (sog. suspensión). Das heißt, dass aufgrund der zeitweisen Niederlegung der Arbeit (keine Auflösung), der Arbeitnehmer von seiner Leistungserbringungspflicht gegenüber dem Arbeitgeber befreit ist, der Arbeitgeber im Gegenzug von seiner Lohnzahlungspflicht.
Darüber hinaus ist das Streikrecht wie jedes Recht kein absolutes Recht und wird durch andere Rechte und verfassungsrechtlich geschützte Güter beschränkt, wie die Berufsfreiheit oder die Gewährleistung der Grundversorgung der Gemeinschaft.
Dagegen handelt es sich bei der Aussperrung nicht um ein Grundrecht; es wird jedoch konkludent dem Art. 37.2 der spanischen Verfassungentnommen, da es sich eher um eine Generalmaßnahme der kollektiven Auseinandersetzung handelt. Sie ist in den Artikeln 12 ff. des oben genannten königlichen Gesetzesdekrets geregelt und stellt eine Ausnahmemaßnahme dar, mittels der der Arbeitgeber die temporäre Schließung einer Arbeitsstätte anordnet.
Damit der Arbeitgeber die temporäre Schließung der Arbeitsstätte vornehmen kann, müssen die folgenden rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sein:
- Vorliegen einer offenkundigen Gefahr der Verletzung von Personen oder schweren Sachschäden;
- Rechtswidrige Besetzung der Arbeitsstäte oder einer ihrer Zweigstellen oder Bestehen des Eintritts der Gefahr;
- Erhebliche Behinderung der gewöhnlichen Betriebsführung durch den Umfang des Fernbleibens und der Unregelmäßigkeiten im Hinblick auf die Arbeit.
Sofern die Aussperrung ohne die Erfüllung der genannten Fälle und der normierten Verfahren durchgeführt wird, liegt gemäß der spanischen Rechtsprechung eine sog. verdeckte Aussperrung (cierre patronal encubierto) vor (Oberster Justizgerichtshof, TSJ – Pendent eines deutschen OLG – des Baskenlandes, Kammer für Arbeitsgerichtsbarkeit vom 21.01.2009).
In Anbetracht der beiden Definitionen und der Tatsache, dass angesichts des unbefristeten Generalstreiks kein einziges Taxi die Straßen von Madrid befährt, ist die Aufrechterhaltung der minimalen Grundversorgung (servicios mínimos) der Bürger möglicherweise gefährdet. Daraus folgt, dass die Taxifahrer vielmehr eine Aussperrung als einen Streik begonnen haben. In jedem Fall kann dies diskutiert werden.
Offenkundig ist dagegen, dass es die riesigen Fortschritte und Umwälzungen in den Bereichen Technologie und Automobil unserer Zeit unabdingbar machen, praktische Lösungen, auch gesetzgeberischer Art, zu finden, die eine friedliche Koexistenz der derzeitigen und zukünftigen Branche ermöglicht, ohne dass das Recht auf Arbeit der einen oder anderen gefährdet ist.
Mehr Information: Monika Bertram