Kürzlich warfen wir einen Blick auf die Klausel zum Schutz von Arbeitsplätzen der 6. Zusatzbestimmung des königlichen Gesetzesdekretes (RDL) 8/2020 vom 17. März und ihre Anwendbarkeit auf betriebsbedingte Kündigungen bei vorheriger Kurzarbeit nach den Artikeln 22 und 23 des genannten RDL.
Doch wie einfach ist es in Spanien nach der aktuellen arbeitsrechtlichen Gesetzgebung und Rechtsprechung, von betriebsbedingter Kurzarbeit (ERTE) zu betriebsbedingten Personalfreisetzungen (ERE) überzugehen? Zur Beantwortung dieser Frage ziehen wir das Urteil Nr. 63 des obersten Gerichtshofs Kataloniens vom 3. Dezember 2020 heran.
Für eine Analyse dieser Frage, müssen wir zunächst auf den Hintergrund des Falls eingehen:
- Das beklagte Unternehmen beantragte kraft des Artikels 22 RDL 8/2020 zum 23. März 2020 Kurzarbeit aufgrund von höherer Gewalt. Dem Antrag wurde durch Schweigen der zuständigen Arbeitsbehörde (sog. silencio administrativo) stattgegeben.
- Am 20. Mai 2020 wandelte das Unternehmen diese Kurzarbeit aufgrund von höherer Gewalt in Kurzarbeit aus betriebsbedingten Gründen um und argumentierte mit dem Vorliegen wirtschaftlicher (aktuelle Verluste) und produktionsbedingter Gründe (Beeinträchtigung von Angebot und Nachfrage aufgrund der Gesundheitskrise und der Maßnahmen im Zuge der Erklärung des Alarmzustandes). Die Verhandlungen mit der Arbeitnehmervertretung endeten mit einem Übereinkommen und die betriebsbedingte Kurzarbeit wäre vom 1. Juli 2020 bis zum 30. Oktober wirksam gewesen.
- Am 3. Juli 2020 – d.h. nach Inkrafttreten der betriebsbedingten Kurzarbeit – teilte das Unternehmen seine Entscheidung mit, betriebsbedingte Personalfreisetzungen vorzunehmen, die sein gesamtes Personal betreffen würden und am 4. August 2020 wirksam würden. Das Unternehmen berief sich dabei auf die gleichen wirtschaftlichen und produktionsbedingten Gründe wie bei der Beantragung der betriebsbedingten Kurzarbeit zwei Monate zuvor.
Zwar brachte das Unternehmen produktionsbedingte Gründe vor, reichte jedoch zusammen mit den anderen Unterlagen nicht die nach Art. 5 des königlichen Dekretes 1483/2012 vom 29. Oktober und Art. 51.2 des spanischen Arbeitnehmerstatutes geforderte fachliche Stellungnahme vor.
Anders als bei der betriebsbedingten Kurzarbeit endeten die Verhandlungen mit der Arbeitnehmervertretung nicht mit einem Übereinkommen, weshalb diese die Entscheidung des Unternehmens anfocht und die NICHTIGKEIT der Personalfreisetzung beantragte.
Angesichts des Sachverhalts, der erhobenen Beweise sowie der einschlägigen Gesetzgebung und Rechtsprechung erklärte der oberste Gerichtshof Kataloniens die Nichtigkeit der Personalfreisetzung. Die Gründe fassen wir nachfolgend zusammen:
- Zwar besteht grundsätzlich die Möglichkeit von Kurzarbeit zu Personalfreisetzung überzugehen, allerdings (i) muss es sich um andere oder später eingetretene Gründe handeln oder (ii) die gleichen Gründe müssen substanzielle oder wesentliche Veränderungen im Vergleich zum Zeitpunkt der Beantragung der Kurzarbeit erfahren haben. Andernfalls – das heißt, wenn die Gründe die gleichen sind oder sich keine wesentliche Änderung ergeben hat – würde angenommen, dass „die Situation des Unternehmens unverändert geblieben ist, sie sich nicht verbessert, aber auch nicht verschlechtert hat.“ Daher sei die Personalfreisetzung nicht rechtsgültig und wirksam durchgeführt worden, was eine Verletzung des guten Glaubens und eine Ausnutzung des Rechts seitens des Unternehmens bedeutete.
- Da nach Artikel 124.11 der spanischen Arbeitsgerichtsordnung (LRJS):
- das Unternehmen der Arbeitnehmervertretung nicht die gesetzlich vorgeschriebenen Dokumente übergab, konkret die fachliche Stellungnahme, da die Personalfreisetzung auch mit produktionsbedingten Gründen begründet wurde, und
- das Fehlen der vorgeschriebenen Dokumente und damit eine offenkundige Desinformation gegenüber der Arbeitnehmervertretung dazu führte, dass es keinen wirklichen, effektiven Verhandlungszeitraum gab, und daher zu einem Verstoß gegen den bei derartigen Verfahren geforderten guten Glauben.
Abschließend können wir folgern, dass der oberste Gerichtshof Kataloniens mit diesem Urteil die Rechtsprechung und Gesetzgebung in Erinnerung rufen will, die im Rahmen von Personalfreisetzungen mit allen Garantien zu beachten sind, und dies zu einem Zeitpunkt, an dem sich aufgrund der Folgen der Gesundheitskrise durch die Pandemie viele Unternehmen mit kollektiven Personalfreisetzungen konfrontiert sehen werden, die entweder einen Teil oder die Gesamtheit ihrer Mitarbeiter betreffen.