Ursprünglich beabsichtigte der Gesetzgeber mit diesem neuen Gesetz nicht die Eindämmung der Pandemie und wir mussten wohl erst die sprichwörtliche Gefahr am Horizont erkennen, damit ein Gesetz entstehen konnte, das vielleicht schon vor Langem hätte verabschiedet werden können. In diesen Zeiten, in denen die Ansteckungsprävention und gleichzeitig die Aufrechterhaltung der Wirtschaft während der Pandemie die obersten Priorität aller Länder ist, ist offenkundig geworden, dass (i) die Telearbeit das wirksamste Werkzeug in dieser Hinsicht sein könnte und (ii) sich hier ein neuer Weg geöffnet hat, auf den wir allerdings völlig unvorbereitet waren.
Das war der spanischen Regierung bewusst, die diese Woche das Projekt angepackt hat, um endlich einen endgültigen Gesetzestext zu verabschieden, der bisher nur als Gesetzesentwurf für das lange erwartete Telearbeitsgesetz („Ley del Trabajo a Distancia“) vorlag; wenngleich mit einigen Änderungen, Streichungen und Ergänzungen im Vergleich zum ursprünglichen Entwurf.
Der spanische Gesetzestext grenzt zunächst die alternierende Telearbeit (trabajo a distancia) von der Teleheimarbeit (teletrabajo) ab. trabajo a distancia bezeichnet die regelmäßige Telearbeit (d. h. 30% der Arbeitszeit innerhalb eines Referenzzeitraums von drei Monaten), wohingegen teletrabajo die permanente Telearbeit bezeichnet.
Und die Natur der Telearbeit? Ist sie verpflichtend? Keine Sorge, sie ist freiwillig. Folgende Punkte müssen allerdings beachtet werden:
Vereinbarung
Die Arbeit im Homeoffice muss von Arbeitgeber und Arbeitnehmer schriftlich vor Aufnahme der Telearbeit vereinbart werden. Die Vereinbarung muss dabei ein gewisses inhaltliches Minimum erfüllen (Kostenerstattung, Inventar der notwendigen Arbeitsmittel, -geräte und -werkzeuge, Anteil und Aufteilung in Arbeit im Betrieb und Telearbeit, etc.)
Umkehrbarkeit
Beide Seiten haben die Möglichkeit, die Telearbeitsvereinbarung „umzukehren“ (d.h. Rückkehr an den betrieblichen Arbeitsplatz und umgekehrt Umstieg auf Telearbeit), allerdings stets im Einklang mit den Bestimmungen der Telearbeitsvereinbarung oder ggf. dem Tarifvertrag, der in dieser Norm bei Regelungslücken anscheinend gerne als Platzhalter verwendet wird.
Priorität
Arbeitnehmer, die seit Aufnahme der Arbeitsbeziehung ihre Leistungen in Vollzeit in Telearbeit erbringen, werden bei der Besetzung von Stellen, deren Arbeitsplatz teilweise oder vollständig im Betrieb angesiedelt ist, bevorzugt behandelt. Achtung: Das bedeutet, dass Unternehmen ihre Mitarbeiter über solche Stellen informieren müssen.
Eine einseitige Auferlegung von Telearbeit seitens des Unternehmens in Ausübung seines Weisungs- und Organisationsrechtes nach Artikel 41 des spanischen Arbeitnehmerstatutes (substanzielle Änderung der Arbeitsbedingungen aus wirtschaftlichen, technischen, organisatorischen und/oder produktionsbedingten Gründen) ist somit nicht nur undenkbar, sondern gänzlich untersagt, im Prinzip auch bei höherer Gewalt. Hier zeigt sich ein deutlicher Unterschied zur ursprünglichen Fassung des Gesetzesvorschlages und lässt erkennen, dass wir scheinbar noch nicht ganz verstanden haben, worum es geht.
Auch Bedenken zu Themen wie der Erstattung von Kosten und dem „digitale Abschalten“ werden im neuen Gesetz ausgeräumt, wenngleich in überschaubarem Maße und unter Rückgriff auf ihren Platzhalter, den Tarifvertrag. Zwar wird überaus deutlich gemacht, dass die Kosten für die Ausübung der Telearbeit von dem Unternehmen zu tragen sind, allerdings wird nicht abgegrenzt, welche Mittel als der Erbringung der Arbeitsleistung im Homeoffice zugewiesene Mittel verstanden werden, die daher zu erstatten sind (das Gesetz spricht hier lediglich von den beiden sehr generellen Begriffen „Ausrüstung“ und „Werkzeugen“). Auch hinsichtlich des „digitalen Abschaltens“ zeigt sich Artikel 18 des neuen Gesetzes unflexibel: Der Unternehmer muss dieses Recht garantieren, sogar durch absolute Beschränkung der Nutzung der Technologie in Ruhezeiten, allerdings werden weder der Umfang dieser Bestimmung noch die Mittel und Maßnahmen für ihre Umsetzung spezifiziert.
Dabei darf jedoch der vielleicht umstrittenste Aspekt des neuen Gesetzes nicht übersehen werden: Auch wenn ein Arbeitnehmer seine Leistungen in Telearbeit erbringt, so ist er weiterhin berechtigt, seine Arbeitszeit nach Artikel 34.8 des Arbeitnehmerstatutes anzupassen. Und dies obgleich dieser Gesetzesartikel bereits die Telearbeit als Maßnahme für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erfasst.
Vorsicht ist auch bei den Gesetzesänderungen und -erweiterungen geboten, die parallel zu dem neuen Telearbeitsgesetz eingeführt wurden: Nach dem neuen Artikel 7.1 des Gesetzes zu Verstößen und Sanktionen der Sozialordnung könnte eine nicht im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen unterzeichnete Telearbeitsvereinbarung als schwerer Verstoß gesehen und daher mit einem Bußgeld zwischen 626,00 € und 6.250,00 € geahndet werden; ganz zu schweigen von der vorzugsweisen und eiligen Bearbeitung jedes Gerichtsverfahrens in dieser Hinsicht, die auf die Aufnahme des neuen Artikels 138 bis der Sozial- und Arbeitsgerichtsordnung gründet.
Mitte Oktober soll das neue Telearbeitsgesetz in Kraft treten. Allerdings sollten vielleicht einige Aspekte nicht Tarifverhandlungen oder der Auslegung durch unsere Gerichtshöfe überlassen werden, da es sich um bedeutende Aspekte mit erheblichen Auswirkungen für beide Seiten handelt. Diese sollten eindeutig und solide geregelt sein, um ausreichende Rechtssicherheit in dieser Hinsicht zu geben. Ein Gesetz, das in die richtige Richtung geht, wenngleich es ein wenig verspätet kommt. Doch wie heißt es im Volksmund, „besser spät als nie“.