Zwei Worte, die zweifelsohne jedes Unternehmen erbeben lassen, und die seit Verkündung des Urteils zur Verallgemeinerung seines Inhalts genutzt wurden. Seitdem schlägt es immer größere Wellen in der Gesellschaft und versetzt Unternehmen fälschlicherweise in Angst und Schrecken, wenn die Entscheidung getroffen werden soll, Arbeitnehmer über 50 gehen zu lassen.
Die Kündigung eines älteren Arbeitnehmers ist also nicht immer nichtig? Weit gefehlt. Urteil 323/2020 ist alles andere als eine generelle Regelung. Es äußert sich vielmehr zu einem sehr konkreten Fall, der sich in einem multinationalen Technologiekonzern ereignet hat. Dieser betraf die Kündigung von sechs Angestellten; mit Ausnahme von einem, alle älter als 50 Jahre. Das Unternehmen begründete die Kündigung zum einen mit objektiven wirtschaftlichen Gründen (rückläufige Umsätze) und zum anderen mit organisatorischen Gründen (dementsprechender Notwendigkeit zur Umstrukturierung der Abteilung, in der diese Arbeitnehmer arbeiteten).
Jedoch führt das Urteil in den Tatbeständen Wirtschaftsdaten des Konzerns auf (Ergebnis vor Steuern), die in den Augen des Richters auf eine stabile Lage des Unternehmens hindeuteten und somit die Darstellung der Wirklichkeit seitens des Unternehmens entkräfteten. Eine Wirklichkeit, die aus Sicht des Richters vor Gericht nicht objektiv belegt werden konnte.
Hinzukommen zwei für das Unternehmen eher ungünstige Umstände. Der erste wird in den Tatbeständen des Urteils genannt und weist darauf hin, dass nach den objektiven Daten aus den Jahresabschlüssen des Unternehmens 2018 23,07% der gekündigten Arbeitnehmer über 50 waren, wohingegen 6,5% zwischen 30 und 50 Jahre alt waren. 2019, ein Jahr bevor sich die Tatsachen des Falls ereigneten, beliefen sich die Anteile auf 13,7 % und 4,9 % Der zweite Umstand wird ebenfalls in den Tatbeständen genannt und trüge in den Augen des Richters zu einer Erklärung dieser Anteile bei: eine mutmaßliche Firmenpolitik, die von einer Philosophie der Generationenerneuerung geprägt sei, bei der das Alter des Personals bis maximal 60 Jahre noch als „angemessen“ für die Erbringung von Leistungen gesehen würde.
In ihrer Gesamtheit veranlassten diese Aspekte den Richter zu dem Schluss, dass es „ausreichend Indizien gebe, um vernünftigerweise anzunehmen, dass der Grund für die Entlassung der Kläger – in Wirklichkeit – auf ihr Alter abstellte“, insbesondere da „keine angemessenen Gründe existierten, die diese Entscheidung begründeten“. Auf dieser Grundlage entschied der Richter u.a. die Anwendung des Artikels 17.1 des spanischen Arbeitnehmerstatuts. Nach diesem Gesetzesartikel sind Klauseln, Vereinbarungen, Maßnahmen und/oder einseitige Entscheidungen seitens des Unternehmens nichtig, inhaltslos und unwirksam, wenn diese zu Diskriminierung aufgrund von Alter, Behinderung, Geschlecht, Herkunft, etc. führen. Mit Blick auf den vorliegenden Fall würde die Entlassung eines Arbeitnehmers, die mutmaßlich allein durch sein Alter begründet wird, als Diskriminierung angesehen und wäre daher nichtig.
Die Entlassung eines Arbeitnehmers über 50 wird somit nicht per se generell als Diskriminierung eingestuft, sondern es ist die Gesamtheit der Einflussfaktoren dieser Entlassung – Kontext, die besonderen Umstände der einen und der anderen Seite –, die schließlich zur Unwirksamkeit einer derartigen Entlassung führen können.
Im Ergebnis sollte das Urteil 323/2020 mehr als Beispiel dienen, denn als Anleitung zur Panik bei der Vornahme notwendiger Entlassungen. Es ist vielmehr als Hinweis und Rat zu verstehen, der bei der Ausübung des Direktionsrechts eines jeden Arbeitgebers beachtet werden sollte.